Therapie der Hashimoto-Thyreoiditis mit L-Thyroxin (T4), Trijodthyronin (T3) und natürlichen Hormonen (NDT)
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist wie alle Autoimmunerkrankungen nur in einem sehr frühen Stadium heilbar. Meist wird die Krankheit jedoch erst relativ spät diagnostiziert.
Wegen der zugrunde liegenden Autoimmunerkrankung bei Hashimoto-Thyreoiditis muss von einer lebenslangen Erkrankung ausgegangen werden. Bei entsprechender Therapie gelingt es aber häufig eine annähernde Beschwerdefreiheit zu erreichen.
Bis auf wenige Ausnahmen, geht es Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis unter einer Therapie mit Schilddrüsenhormonen besser.
In der Regel beginnen wir zunächst mit einer Monotherapie mit dem Speicherhormon L-Thyroxin (T4). Das stoffwechselaktive Trijodhyronin (T3) geben wir erst dazu, wenn mit L-Thyroxin alleine keine ausreichende Verminderung der Symptome gelingt. Manche Patienten kommen mit aus Schweineschilddrüsengewebe hergestellten Hormonen besser zurecht als mit den synthetisch hergestellten Thyroxinpräparaten. Diese natürlichen Schilddrüsenhormone werden auch NDT (Natural Desiccated Thyroid) genannt. Es handelt sich dabei meist um gefriergetrocknetes Schilddrüsenextrakt vom Schwein, welches die Hormone T4 und T3 im Verhältnis von 4:1 enthält. Man erklärt sich die bei manchen Patienten bessere Verträglichkeit gegenüber synthetisch hergestellten Thyroxin durch eine leichtere Resorption des an Eiweiß gebundenen natürlichen Schilddrüsenhormons im Magen-Darm-Trakt. Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis leiden oft an Störungen im Magen-Darm-Bereich. Zudem vermutet man, dass weitere Hormonvorstufen wie T1 und T2 sowie das im Schilddrüsenextrakt vorhandene Calcitonin der Grund für die bessere Wirksamkeit sind. Allerdings ist die Thyroxindosis bei den natürlich hergestellten Präparaten möglicherweise Schwankungen unterworfen, was die Dosisfindung erschweren kann. Zudem bekommen viele Patienten Überfunktionssymtome. Dies liegt daran, dass natürliches Schilddrüsenextrakt eine relativ hohe Konzentration des stoffwechselaktiven Trijodthyronin (T3) enthält. Deshalb versuchen einige Patienten durch eine Kombinationstherapie mit synthetischen L-Thyroxin die Dosis der NDT reduzieren zu können. Wegen des kurz wirksamen T3 sollten natürliche Schilddrüsenhormone am besten in zwei oder drei Dosen pro Tag genommen werden. Meist reicht eine Einnahme morgens und mittags. Es gibt erbitterte Gegner und glühende Verfechter der Therapie mit natürlichen Schilddrüsenhormonen.
In der Regel gelingt es bei unseren Patienten durch eine unkomplizierte Monotherapie mit einer ausreichenden Dosis von L-Thyroxin (T4) die Symptome ausreichend in den Griff zu bekommen. Einige Patienten brauchen noch zusätzlich Trijodthyronin (T3). Nur bei einem sehr geringen Anteil unserer Patienten erreichen wir die besten Resultate mit einer Umstellung auf Schilddrüsenextrakt vom Schwein.
Gegner und Befürworter der unterschiedlichen Therapieansätze stehen sich zum Teil in nahezu ideologischen Dogmatismus gegenüber. Dem Patienten hilft das in seiner individuellen Situation wenig.
Wir halten uns an Hippokrates: "Wer heilt hat recht !". Geht es den Patienten unter der Therapie gut , ist es die richtige Therapie.
In der Regel gelingt es durch eine ausreichende Therapie , dass weder die Lebensqualität noch die Lebenserwartung der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis eingeschränkt ist. Voraussetzung hierfür ist eine individuell angepasste Therapie sowie regelmäßige ärztliche Kontrollen. In der Einstellungsphase sollte je nach Krankheitsverlauf und Symptomen alle 4-12 Wochen eine Kontrolluntersuchung erfolgen. Lässt die Krankheitsintensität nach, kann das Kontrollintervall unter Umständen ausgedehnt werden. Treten neue Symptome auf, sollte auch wegen der Neigung zu weiteren Autoimmunerkrankungen nicht zu lange mit einer Kontrolluntersuchung gewartet werden.
Die Behandlung zielt vorrangig auf die Bekämpfung der Symptome. Zieht in der Anfangsphase die Entzündung eine Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) nach sich, ist natürlich zunächst keine Hormontherapie sinnvoll. Allerdings müssen regelmäßig Kontrolluntersuchungen stattfinden.
Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) sollten Hormone eingenommen werden. In seltenen Fällen kann eine frühzeitige Behandlung der Unterfunktion zu einer Heilung führen. Meist ist die Hormoneinnahme jedoch lebenslang notwendig. Die meisten Erkrankten haben nach der Hormoneinnahme deutlich weniger Beschwerden als vor der Therapie.
Die Hormondosierung wird durch die Bestimmung von TSH, fT3 und fT4 kontrolliert und sollte immer in kleinen Schritten erhöht werden . Wir beginnen meist mit einer niedrigen Dosis von 12,5 oder 25 L-Thyroxin. Zunächst wird der TSH-Wert alle 4-12 Wochen kontrolliert und die Dosis wenn notwendig um 25 ug erhöht. Bei manchen Patienten sind auch kleinere Dosisschritte bei der Feineinstellung wie 12,5 ug oder sogar 6,25 ug notwendig.
Die meisten Patienten fühlen sich dann bei einem TSH-Wert unter 1,0 am wohlsten. Deshalb streben wir in der Regel einen niedrig normalen TSH-Wert zwischen 0,3 und 1,0 an. Nicht selten sind die Symptome aber erst mit noch niedrigeren TSH-Werten in den Griff zu bekommen. Die Werte von fT4 und fT3 sollten dabei im (oberen) Normbereich sein.
Bei einer derartigen Einstellung mit niedrigen TSH ist es aber zwingend notwendig, neben der Schilddrüse auch immer andere Organe wie z. B. das Herz-Kreislauf-System oder die Knochendichte im Auge zu behalten, um negative Auswirkungen der Hormontherapie frühzeitig erfassen zu können.
Zur Dosisfindung finden Sie hier einen fT4/fT3-Rechner
Bei Hashimoto-Thyreoiditis sollte sich die Therapie mit Thyroxin vorrangig am Befinden der Patienten und nicht nur an den Laborwerten orientieren
Ein niedriger TSH-Wert ist unbedenklich, solange keine Überfunktionssymptome bestehen, keine negativen Auswirkungen auf andere Organe vorliegen und die Hormonwerte fT3 und FT4 sich noch im Normalbereich befinden. Wir gehen bei der Festlegung der notwendigen Schilddrüsenhormondosis nicht ausschließlich von den Laborwerten aus, sondern berücksichtigen vor allen Dingen das subjektive Befinden des Patienten. Wenn der Patient sich besser fühlt, ist die Dosisänderung richtig gewesen.
Eine Verminderung der Beschwerden ist bei Hashimoto -Thyreoiditis wichtiger als nur "Laborkosmetik" zu betreiben.
Bei der Einstellung ist oft viel Geduld erforderlich, da das körperliche Befinden den Werten häufig um Wochen bis Monate hinterherhinkt und die erforderliche Hormondosis auch von anderen Faktoren wie Jahreszeit oder der Konzentration anderer Hormone wie Östradiol, Progesteron oder Cortisol abhängig ist.
Hinzukommt, dass die verschiedenen Organe unseres Körpers die Schilddrüsenhormone wegen unterschiedlicher Dichte der Hormonrezeptoren auch unterschiedlich aufnehmen, so dass die Dosis für ein Organ schon zuviel ist, aber für ein anderes Organ unter Umständen noch nicht ausreicht. Ein typisches Beispiel ist , wenn es nach Erhöhung der Thyroxindosis zu Schlafstörungen kommt , gleichzeitig aber immer noch Unterfunktionssymtome wie eine fehlende Gewichtsabnahme vorhanden sind. Anzeichen einer Über- und einer Unterfunktion können somit gleichzeitig auftreten oder sich sogar abwechseln. Häufig muss dann in diesen Fällen zunächst über einige Zeit lang die Dosis wieder reduziert werden und erst bei einem zweiten Versuch treten die Schilddrüsenüberfunktionsymptome dann nicht mehr auf.
Hilfreich bei der Suche nach der Wohlfühldosis kann das Führen eines Schilddrüsen-Tagebuches sein. Hier werden das körperliche Befinden, z. B. Verdauung, Appetit, Puls, Blutdruck, Stimmung, Psyche, Gewichtszunahme oder Gewichtsabnahme sowie die Leistungsfähigkeit aufgezeichnet. Durch die Mitarbeit des Patienten gelingt es deutlich häufiger, eine Wohlfühldosis zu finden. Ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis auf Augenhöhe ist nach unserer Erfahrung eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie der Hashimoto-Thyreoiditis.
Die Schilddrüsenhormone sollten möglichst alleine 30 Minuten vor dem Frühstück mit etwas Wasser eingenommen werden. Andere Medikamente, die gleichzeitig aufgenommen werden, können die Resorption der Schilddrüsenhormone vermindern. Insbesondere Eisen und Kalzium stören die Verwertung. Auch Protonenpumpenhemmer (z. B. Pantoprazol) sowie die Anti-Babypille sollten nicht gleichzeitig mit Thyroxin eingenommen werden. Polyvalente Kationen wie Mg2+ oder Ca2+ sind in Sportgetränken, aber auch in einigen Mineralwassern oder in Brausetabletten vorhanden. Wenn zu diesen nicht mindestens ein Abstand von 2 Stunden eingehalten wird, kommt es durch Bildung schwerlöslichen Komplexen zu erheblichen Resorptionsstörungen und das Thyroxin kann nur sehr vermindert aufgenommen werden.
Die Hormontablette sollte man am Tage der Blutabnahme erst nach dieser einnehmen. Idealerweise liegen zwischen Blutentnahme und letzter Hormoneinnahme 24 Stunden.
Manche Erkrankungen vermindern die Wirkung von Thyroxin
Endokrine Störungen wie Insulinresistenz (Metabolisches Syndrom, Übergewicht, PCO) können auf molekularbiologischer Ebene zu einer verminderten Wirkung des Thyroxins (Hormonresistenz) oder zu Störungen beim Umbau von T4 zu T3 (Konversionsstörung) führen.
Weitere Beispiele von Erkrankungen, die zu einer verminderten Wirkung des Thyroxins führen können sind:
Psychischer oder physischer Stress, Nebenniereninsuffizienz, Depression oder chronische Infektionen.
Operation der Schilddrüse bei Hashimoto-Thyreoiditis nur im Ausnahmefall
Eine Schilddrüsenoperation ist nur sehr selten erforderlich, etwa wenn sich Knoten gebildet haben oder die Schilddrüse extrem vergrößert ist. Die Indikation zu einer Operation kann auch gegeben sein, wenn es zu großen Problemen bei der Einstellung mit Hormonen und zu einem anhaltenden Wechsel zwischen Über- und Unterfunktion der Schilddrüse kommt. Im Allgemeinen wird eine Hashimoto-Thyreoiditis jedoch nicht durch eine Operation behandelt, da auch diese eine Heilung nicht garantiert.